Geliebter Feind

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Grr Argh
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Geliebter Feind

Beitrag von Grr Argh »

So erstmal zur Einstimmung:
https://www.youtube.com/watch?v=VqrBsMFRaLA

Was wäre ein RPG-Geschichte ohne einen den Charakteren würdigen Opponenten, der ihnen das Leben zur Hölle macht.

Und um das Thema geht es mir, um schmierige Konzernschlipse, fiese Kultistenführer, schmutzige Warghbosse, Drachen in ihren Höhlen, Dämonen die Kindern die Lutscher stehlen, Kinder die Drachen die Lutscher stehlen, usw. usw.

Wie entwicklet ihr als SL die Widersacher...schlagt ihr einfach das Kreaturenbuch auf, schliesst die Augen und lässt euren Finger entscheiden? Oder krallt ihr euch die Bögen der Spieler und bastelt einen massgeschneiderten Feind?

Wie detailiert arbeitet ihr die Feinde aus. Verpasst ihr ihnen eine Motivation und [nachvollziehbare] Beweggründe oder sind sie per Definition einfach scheisse zu den Chars und ihrer Umgebung? Wechseln die Gründe warum der Feind den Chars ans Leder will?

Benutzt ihr sie weiter, hetzt sie herzlos von Konflikt zu Konflikt gegen die Charaktere, bis es im finalen Kampf richtig knallt oder werden sie regelmässig in einem Plot verheizt?

Da ich auf Serien wie Games of Thrones und Once upon a Time stehe, mag ich es wenn "Gegner" eine nachvollziehbare Motivation haben. Daher verwenden ich keine stumpfen Maschinen, Tiere oder Monster als Endgegner. Eventuell als Aufhänger oder als "Wachtier" aber der Star des Stücks muss immer ein empfindesfähiges Wesen sein. Dadurch habe ich als Sl auch mehr Möglichkeiten die Geschichte enden zu lassen und keine serienmässigen "Kampf bis zum Tod"-Stücke zu produzieren, welche meiner Meinung langfristig eher langweilig sind oder dazu führen, dass Nonkombatanten aus dem Spiel geworfen werden.

Ausserdem neigen empfindungsfähige Wesen eher zu einen Rückzug, planen Ihre Flucht falls was schief geht um sich dann, irgendwann, fürchterlich zu rächen..oder auch nicht...was den Charakteren ein bekanntes Gesicht gibt, was sie zu hassen lernen und man damit mehr Motivation aus den Spielern kitzeln kann als schnöden Mammon, einen Sitz im Rat oder die neuste Exkalibur XXI Experimentalknarre.

Ich für meinen Teil habe bei Earthdawn zur Zeit Spass an zwei Opponenten in einem Plot.

Einen offensichtlichen Gegner, einen zwergischen Geisterbeschwörer, der einen mächtigen Dämon beschwören will, um mit seiner Hilfe an Macht und Wissen zu kommen. Ok, nen wenig verückt ist er auch, aber nicht blöd oder gar fanatisch..auch wenn er einen Dämoen beschwören will der seiner Natur folgend Leid und Elend verbreiten wird...Der GB, nennen wir ihn Hans, hat schon seid Jahren begonnen an seinem Plan zu arbeiten, die notwendigen Materialien, Rollen und so weiter zu sammeln und hat sogar die Chars in seine Ränke eingearbeitet. Die Chars kamen seinen Plan zwar auf die Schliche, aber erst nachdem Sie ihm gegeben haben, was er wollte und konnten ihn nicht habhaft werden. Nun sitzt er irgendwo im Nirgendwo und bereitet sein schreckliches Ritual vor. Die Chars wandeln nun quasi auf seinen Spuren, finden raus was er weiss, um Hans in seinem Versteck zu finden und zu Strecke zu bringen. Da Hans kein idiot ist, wird er den Kontakt zu den Chars scheuen bis das Ritual vollendet ist. Er schickt ihnen keine Schergen entgegen, die den Chars eventuell seine Position veraten könnten, ok...um ehrlich zu sein, er hat garkeine Schergen und er nimmt auch nicht wirklich an, dass die Chars ihn weiterhin suchen. Hans ist damit vor allem eins...der Prügelknabe. Wann immer die Chars von Meuchelmödern attackiert, Orkbrennern geplündert, von Behörden verfolgt oder sonst ein Sack Reis in Throal umfällt, ist es Hans schuld.

Der zweite Opponent ist dafür aktiver aber nicht offensichtlich. Er entsendet laufend Meuchler und spinnt Intrigen gegen die Charaktere und verwendet einen zwergischen Vermittler hierfür. Der Oppenent ist erst im Laufe des Spiels vom Arbeitgeber zu einem Gegner der Spieler geworden, getreu dem Motto: Sie wissen einfach zu viel. Die Motivation des Oppenenten, nennen wir ihn Klaus, ist Besitzstandswahrung, "Familienehre" und Angst vor Isolation. Klaus hatte die Chars angeworben, seine von einem dämonischen Gegenstand besessene Tochter aus den Klauen von Hans zu befreien. Die Chars hatten im Vorfeld dafür gesorgt, dass die Tochter überhaupt erst in Hans Hände fällt, aber das ist ja nicht so wichtig. Da aber Klaus in der Vorgeschichte so ein paar Liter Blut an seinen Händen hat (und dies vor allem vor seiner Frau geheim halten will) und die Charaktere der Sache immer näher kommen, je mehr sie suchen, nutzt dieser Einfluss und Geld um die Charaktere entweder zu töten, oder von ihrem Weg abzubringen. Und bis auf einen Char, ahnt dies keiner sondern geht davon aus "der Hans ist schuld".

Wie sehen sie aus, euere Meisterkrationen?
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Butzi
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Re: Geliebter Feind

Beitrag von Butzi »

Eine gute Frage. Da eine langfristige Feinschaft auch immer die notwendigen Ressourcen voraussetzt, greife ich weniger auf Einzelpersonen als vielmehr Gruppen oder Organisationen zurück.

In meiner Welt (selbst entworfene Fantasywelt, praktisch nur Menschen) gab es in der Zeit der Sagen einen halb wahnsinnigen Propheten. Als der verschwand, haben seine Jünger beschlossen, als eine Bruderschaft seine Prophezeiungen zu schützen und (ihrer Interpretation nach) umzusetzen. Der erste der Jünger hat dann jedoch irgendwann mit seinen Brüdern gebrochen und hat sein eigenes Ding gemacht. Die Bruderschaft ist im Laufe der Jahrhunderte zu so etwas wie der Illuminatenorden geworden, der im Geheimen versucht, die Mächtigen zu manipulieren und so die Geschicke der Welt zu lenken. Als solche können sie natürlich pausenlos als Gegner auftreten, ohne dass es immer der gleiche Bösewicht sein muss.

Der erste Jünger indes hat irgendwann sein eigenes Imperium gegründet, dem (ähnlich wie beim Dominion bei Star Trek) unter der Herrschaft einer besonderen Kaste viele verschiedene Völker und Kulturen angehören. Das Imperium hat ein Land, in dem die Elementalmagie sehr verbreitet war, vor 50 Jahren unterworfen und über Jahrzehnte alle magiebegabten Kinder entführt und sich deren Kräfte zunutze gemacht. Diesem Land ist es nach einer blutigen Rebellion gerade erst gelungen, sich wieder zu befreien, und somit sind für die Rebellen natürlich das Imperium und alle seine Bewohner, was damit zusammenhängt, der Superfeind. Da wird auch gar nicht nachgefragt sondern sofort geschossen. Eine meiner Spielerinnen ist eine sehr patriotische Elementalistin aus diesem Land und bietet somit immer wieder tolle Ansatzpunkte für Konflikte. Besonders tolle (weil tragische) Gegner sind dabei die entführten Kinder, die vom Imperium zu herzlosen Kampfmagiern herangezogen wurden, die randvoll mit Propaganda sind und nun als Handlanger wieder in die Welt geschickt werden und dabei sogar gegen ihre eigenen Landsleute kämpfen (die in ihren Augen nur zurückgebliebene Höhlenmenschen sind, denen nie die Gnade der imperialen Erleuchtung zuteil wurde).

Aber auch die konservative Kirche des Lichts, die sogar einen eigenen Gottesstaat haben und in vielen Ländern die Hauptreligion bilden, ist ein guter Gegner in einer Kampagne, die nicht klar nach schwarz und weiß unterscheidet sondern alles irgendwie grau ist.

Ein besonders perfider Gegner entstand mal aus einem verfluchten Artefakt, das dazu führte, dass die Gruppenheilerin eine böse Zwillingsschwester bekam. Diese schlich dann heimlich zu dem Verlobten der Heilerin, ließ sich von diesem schwängern, und machte sich danach auf, um sich der Gegenseite anzuschließen. Was für Konflikte für die Gruppe!


Wichtig finde ich bei einem guten Gegner immer seine Glaubwürdigkeit. Jeder braucht ein Ziel, von dem er überzeugt ist und an dem er festhält. Und dieses Ziel muss mit Gewinn oder persönlicher Erfüllung zu tun haben. Rache, Macht, Reichtum, Anerkennung, Ordnung/Weltverbesserung. Das sind nachvollziehbare Motive, darauf kann man aufbauen. Das genretypische „Der dunkle Herrscher will die Welt vernichten“ ist völliger Unsinn, denn niemand will die Welt auslöschen, in der er lebt. Darum sind ja auch Nazis hervorragende Bösewichte. In ihren Augen machte ihre verdrehte Ideologie ja durchaus Sinn (Herrenrasse, Herrschaftsanspruch, Lebensraum, etc.), und sie sahen sich selbst ja auch als die Guten an. Gleiches gilt für Darth Vader und das galaktische Imperium, denen ging es ebenfalls um die Ordnung der Galaxie und nicht per se um Genozid an den Ewoks.
"People assume that time is a strict progression of cause to effect, but actually — from a non-linear, non-subjective viewpoint — it's more like a big ball of wibbly-wobbly... timey-wimey... stuff."
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Grr Argh
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Re: Geliebter Feind

Beitrag von Grr Argh »

Eine gute Frage. Da eine langfristige Feinschaft auch immer die notwendigen Ressourcen voraussetzt, greife ich weniger auf Einzelpersonen als vielmehr Gruppen oder Organisationen zurück.
Auch eine gute Idee, die ich bisher nicht genutzt habe. Ich bevorzuge eher Einzelpersonen, das macht die Sache persönlicher. Auf der anderen Hand kann man die "Schurken" auswechsel oder verheizen ohne den übergeordneten Gegner zu schnell zu verbraten.

Ein besonders perfider Gegner entstand mal aus einem verfluchten Artefakt, das dazu führte, dass die Gruppenheilerin eine böse Zwillingsschwester bekam. Diese schlich dann heimlich zu dem Verlobten der Heilerin, ließ sich von diesem schwängern, und machte sich danach auf, um sich der Gegenseite anzuschließen. Was für Konflikte für die Gruppe!
Und schon wieder eine weitere Seite in meinem kleinen Plotbuch gefüllt. Verwechslungs- und Körpertauschkomödien kann ich überhaupt nicht ausstehen, daher ist es mir nie in den Sinn gekommen sowas als Szenario in einem Rollenspiel einzusetzen.
Wichtig finde ich bei einem guten Gegner immer seine Glaubwürdigkeit. Jeder braucht ein Ziel, von dem er überzeugt ist und an dem er festhält. Und dieses Ziel muss mit Gewinn oder persönlicher Erfüllung zu tun haben. Rache, Macht, Reichtum, Anerkennung, Ordnung/Weltverbesserung. Das sind nachvollziehbare Motive, darauf kann man aufbauen. Das genretypische „Der dunkle Herrscher will die Welt vernichten“ ist völliger Unsinn, denn niemand will die Welt auslöschen, in der er lebt. Darum sind ja auch Nazis hervorragende Bösewichte. In ihren Augen machte ihre verdrehte Ideologie ja durchaus Sinn (Herrenrasse, Herrschaftsanspruch, Lebensraum, etc.), und sie sahen sich selbst ja auch als die Guten an.
Yeah, deshalb fand ich Serien wie Captain Planet zum kotzen...konnte ich schon als Kind nicht leiden...Das schöne an nachvollziehbaren Motiven ist ja auch, dass diese halt zwangsläufig nicht "böse" sein müssen. Wenn ein Barbarenstamm nur plündert, weil seine Umgebung nicht essbares hergibt und sie nirgends sonst hinkönnen, wird es schwierig und ein simples "Kill them all"( dabei werden alle, Alte, schwache,Kinder usw, die vom Plündergut abhängig sind ebenfalls zum Tode verurteilt) ist bestenfalls eine sehr einseitige Lösung..
Gleiches gilt für Darth Vader und das galaktische Imperium, denen ging es ebenfalls um die Ordnung der Galaxie und nicht per se um Genozid an den Ewoks.
Nope, denen ging es deffinitiv um den Genozid...ich hätte die kleinen Knuddelbären gejagt und an die verwöhnte imperiale Oberschicht als Haustiere verscheuert...
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Butzi
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Re: Geliebter Feind

Beitrag von Butzi »

Ja, die Sache mit den gegnerischen Organisationen bietet nicht nur den Vorteil, dass diese überregional auftreten können (und die Helden somit auch zufällig auf sie stoßen können), sondern auch, dass sich hier auch Staffel-Bösewichte (um mal den Vergleich zu Fernsehserien zu ziehen) besetzen lassen können. Ein Söldnerführer, ein Hexer oder ein Auftragsmörder, der den Helden für 2-3 Abenteuer arge Probleme bereitet, bevor er dann zur Strecke gebracht wird. Alle drei stehen jedoch in den Diensten der "Firma". Die Helden wissen, dass sie nur einen Teilerfolg errungen haben, und als SL muss man sich nicht wieder eine neue globale Bedrohung aus den Fingern saugen. Da macht es dann auch nichts, wenn der Söldnerführer schon vorzeitig stirbt, weil in der "Firma" sofort der Hexer bereit steht, im den Masterplan weiter zu verfolgen.

In meiner Kampagne (die diesen Sommer ihr 10jähriges feiert) hatte ich schon sehr früh einen Bösewicht eingeführt, der so eine Mischung aus Darth Vader und Shredder war. Lange Zeit hatten die Spieler echt Schiss vor ihm, hielten ihn für den großen Drahtzieher und wurden mindestens einmal von ihm besiegt und eingekerkert. Später erkannten sie, dass er auch nur ein Zahnrad im Getriebe des Bösen war. Als die Charaktere dann irgendwann mächtig genug waren, um eine Konfrontation zu überleben, tauchte er wieder auf. Nur leider machten ihn die Helden derart schnell fertig, dass ich einen faulen Trick anwenden musste, um ihn mittels eines Teleportationszaubers entkommen zu lassen. Denn er wurde zu diesem Zeitpunkt für den Plot gebraucht und durfte nicht sterben! Aber sowas finde ich sehr stillos, wenn die Helden schlau sind und einen dicken Gegner besiegen können, dann muss ihnen dieser Sieg auch zustehen.

Darth Shredder wurde aufrund seiner Niederlage jedoch degradiert, und als die Gruppe ihn das nächste Mal traf, wurde er dann wirklich in epischem Kampf erschlagen. Doch eine andere böse Fraktion hat ihn mittlerweile als Untoten zurückgeholt....Hey, jede große Kampagne braucht einen dunklen Lord!
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