Tales from the Table (D&D 5e) Dragon Heist

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Mercen
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Re: Tales from the Table (D&D 5e) Dragon Heist

Beitrag von Mercen »

1492 Tarsakh 13

Wir machten uns am Vormittag auf den Weg zum Tempel von Gond, dem Haus der Wunder. Wir spazierten durch die Parkanlage auf das Haus zu. Erdan bemerkte eine seltsam stakige Figur auf dem Dach und dann kam ein Vogel auf uns zu geflogen. Er flog aber nicht wie ein Vogel, sondern eher wie ein Stein mit Flügeln, die sich bewegten. Florence riss ihren Schild hoch und der Vogel prallte dagegen und fiel zu Boden. Er bestand aus Zahnrädern und seltsamen kleinen Gestängen. Die Figur auf dem Dach war verschwunden.
"War das jetzt ein Angriff oder ein Unfall?", fragte Florence.
"Ich glaube, ein Unfall," meinte Erdan, "aber wir sind richtig hier. Stakige Figur, Dach, alles da."

Wir betraten die Eingangshalle. Auf Podesten waren Modelle oder Apparaturen ausgestellt, die Preise gewonnen hatten. Eines war das Modell eines Uhrturms, komplett mit Fensterchen und Zeigern. Nach kurzer Zeit bemerkte ich, dass sich die Zeiger bewegten. Es gab einen kuriosen Helm mit kleinen Ärmchen dran, der seinen Träger schlug, wenn der einschlief. Das war wohl prima für die Wache, dachte ich, hatte sich aber wohl nicht durchgesetzt. Es gab zwei Modelle von Schiffen, die Unterwasser fahren konnten und eine kleine Flugmaschine. Weiter kamen wir nicht, denn uns kam eine Priesterin entgegen, die nach unseren Wünschen fragte. Sie stellte sich als Valetta vor und war eine Drachengeborene.
Wir erklärten, was wir suchten, erzählten von der Figur auf dem Dach und zeigten den Vogel vor. Die Priesterin seufzte.
"Das ist Nim. Was hat er nur angestellt. Kommt, wir fragen ihn. Seine Sorte nennt man übrigens Flinkling und sie werden in Lantanese hergestellt und nur da. Er war ein Geschenk für jemanden hier, aber keiner konnte so recht etwas mit ihm anfangen, daher ist er hier gelandet. Er hat oben im Turm sein Zimmer und eine kleine Werkstatt gegen die Langeweile."
"Langeweile? Ist er intelligent?"
"Ja, sogar sehr. Das macht es zu einem Problem für uns. Er denkt völlig anders und er kann nicht reden. Wir unterhalten uns in Zeichensprache, die er uns beigebracht hat. Das ist ein ganz armes Geschöpf. Trotzdem muss er sich an Regeln halten."
Wir waren in der Zwischenzeit endlose Treppen nach oben gestiegen und standen vor einer Tür. Die war verschlossen. Das Schloss war neu. Valetta quittierte das mit einem Stirnrunzeln.
"Nim? Nim mach auf, es ist Besuch da."
Nichts rührte sich. Sie klopfte.
"Wenn du nicht aufmachst, dann räumen wir deine Werkstatt aus."
Nichts rührte sich.
"Hat er Angst?", wollte Florence wissen.
"Ja, wahrscheinlich. Das ist ungewöhnlich. Irgendetwas stimmt nicht."
"Darf ich?", fragt ich und zog mein Lederetui.
"Ja, das ist in Ordnung, glaube ich."
Das Schloss war das komplizierteste, was mir seit langer Zeit untergekommen war. Ich brauchte gut zwei Minuten, bis ich die Anzahl der Häkchen und ihre Bewegungsrichtungen entschlüsselt hatte. Dann klickte es und die Tür war offen.

(SP: 21. Das war knapp. Ich sollte doch mal über 'Klopfen' nachdenken. Die Auswahl ist halt schwierig: So viele tolle Sprüche und so wenige, die man haben darf. Das ist der große Nachteil des Zauberers.)

"Dein Nim ist ein exzellenter Mechaniker.", sagte ich. "Respekt."
Wir fanden ihn unter der Werkbank, wo er sich zusammen gekauert hatte. Valetta begann, sich mit ihm zu unterhalten.
Sie war ziemlich sauer, als sie die Unterhaltung beendete. "Das geht zu weit," fauchte sie, "er bekommt mindestens einen Monat Bastelverbot."
"Was ist denn passiert?", wollte Florence wissen.
"Er hat eine Kopie von sich hergestellt, weil er sich einsam fühlte. Keine Ahnung, wie er die Magie gemeistert hat. Vor einem Monat ist seine Schöpfung aber geflohen und er hat keine Ahnung, wo sie ist. Er kann sie auch nicht suchen, weil er an den Tempel gebunden ist."
"Das mit der Einsamkeit verstehe ich," sagte Frida, "das ist doch schrecklich, wenn man der einzige seiner Art irgendwo ist."
Die Kreatur ging zu Frida und umarmte sie. Die war wie vom Donner gerührt.
"Er versteht Gemeinsprache?"
"Ja, das tut er."
"Nim," sagte Frida, "dein Kind hat Menschen getötet, darunter auch Frauen und Kinder. Wir müssen ihn finden und aufhalten. Kannst du uns helfen?"
Nim nickte, ging zu seiner Werkbank und hob ein seltsam aussehendes Gerät empor. Dann gestikulierte er mit der Priesterin.
"Interessant. Er hat bereits ein Gerät gebaut, um ihn zu finden. Man drückt den Auslöser und der kleine Schirm beginnt sich zu drehen. Er dreht sich immer schneller, wenn man sich einem Flinkling nähert. Die Reichweite soll etwa 150 Meter betragen. Ich sage euch was. Wenn ihr das Geschöpf findet, bringt es her. Dann bekommt ihr 500 Drachen Belohnung. Wir haben auch ein paar nützliche Sachen, unter denen ihr euch eine aussuchen könnt."
Frida wandte sich an die Priesterin. "Seid gnädig mit ihm. Was ist das denn für ein Leben? Eingesperrt in einem Zimmer und nichts zu tun? Da kommt man doch auf dumme Gedanken. Beschäftigt ihn mit irgendwas nützlichem."
Die Priesterin sah sie verdattert an.
"Wie bitte?"
"Er ist hier eingesperrt wie ein wildes Tier. Gebt ihm eine Aufgabe. Unten stehen so viele tolle Maschinen rum. Sagt ihm, was er bauen soll und er ist glücklich."
Der Flinkling nickte und winkte uns nach.

Nim tat mir auch leid. Was für ein Leben. Er war potenziell unsterblich und keiner konnte ihn verstehen. Das würde mich in den Wahnsinn treiben, glaube ich. Vielleicht sollte man ihm irgendwann mal einen Gefährten besorgen. Lantanese lag irgendwo am Rand der Welt. Da fuhr niemand freiwillig hin. Ich nahm mir fest vor, da was zu regeln. Frida hätte ich auf meiner Seite, da bin ich mir sicher.

Wir verließen den Tempel und machten uns auf den Heimweg.
"Sag mal Ewan, wie groß ist die Stadt?", fragte Florence plötzlich.
"Ziemlich, gute 6 mal 4 Kilometer. Warum?"
"Die Reichweite von dem Ding hier beträgt 150 Meter, also 300, wenn man es um sich herumschwenkt. Wie lange glaubt ihr brauchen wir, um die Stadt abzusuchen? Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass sich der Flüchtige nicht bewegt?"
Wir sahen Florence an. Wir sahen uns an. Ich seufzte: "Verdammt, fliegen müsste man können."
Fliegen wäre schön. Fliegen über Waterdeep war aber verboten. Die einzigen, die das durften, waren die Greifenreiter. Die arbeiteten für die Garde. Wir hatten mit der Garde nichts zu tun. Oder doch? Vielleicht konnte uns Jalester weiterhelfen? An diesem Punkt meiner Überlegungen angekommen, wurde ich unsanft geschüttelt.
"Was'n?"
"Du guckst debil. Ist was?"
Ich teilte meine genialen Gedankengänge der uninspirierten Menge mit, die das schweigend entgegen nahm.
"Und? Brilliant, oder?"
"Das ist Blödsinn.", kommentierte Florence bissig. "Welcher Reiter gibt denn sein Pferd ab und dann noch an jemanden, der noch nie geritten ist."
Das war ein gutes Argument. Andererseits, wenn man immer auf die Stimme der Vernunft hören würde, bekäme man nie was zustande.
"Wir fragen ihn. Mehr als 'Nein' sagen kann er nicht."

Wir fanden Jalester vor unserem Haus. Was für ein Zufall! Leider wollte er nicht schwatzen, sondern hatte einen Auftrag für Frida und damit auch für uns.
"Es geht um einen Mann, Harko Swornhold. Er hat vor drei Jahren versucht, einen Magister zu bestechen und ist verbannt worden. Jetzt ist er wieder da und stiftet Unruhe. Die Xans haben sich seiner angenommen, so wie es aussieht. Er heuert Kenkus im Dockviertel an, für welche dunklen Zweck auch immer. Tötet ihn."
Was? Wir sind doch keine Mörder, was ich ihm auch ziemlich aufgebracht erklärte. Ich bin zwar nicht der ehrlichste Bürger, aber ich habe durchaus Vertrauen in die Justiz von Waterdeep. Magister bestechen ist zwar ein Kapitalverbrechen, aber das sollten dann bitte auch die Magister mit dem Delinquenten regeln.
Florence nickte zustimmend zu meinen Ausführungen.
Jalester hob abwehrend die Hände. "Gut, gut, ich habe verstanden. Liefert ihn bei der Wache ab. Das reicht mir."
Dann fragte Frida nach einer Möglichkeit für einen Greifenflug. Seltsamerweise fand das Jalester nicht so ungewöhnlich und meinte: "Ich frag mal nach. Manchmal klappt das. Wenn das möglich ist und ihr Harko erwischt habt, bekommt ihr euren Flug."
Der Nachmittag verlief ruhig und wir konnten uns um einige Angelegenheiten für die Eröffnung kümmern. Das neue Schild war fertig und wurde aufgehängt. Der Schreiner hobelte in zwei Schichten, um das Mobiliar fertig zu bekommen. Alles lief wie am Schnürchen.
Am Abend waren wir bei Renaer eingeladen. Broxley hatte seinen Neffen Pip abgestellt, um unser Probeessen zu kochen. Wir saßen gemütlich am Tisch, erzählten von unseren Abenteuern und tranken uralten Wein aus Familienbesitz. Als Renaer das mit dem Gnom und dem Feuerball hörte, wurde er nachdenklich.
Dann sagte er: "Ich traue euch, nicht nur, weil ihr mich gerettet habt. Ich erzähle euch jetzt etwas, was ihr bitte für euch behaltet. Ihr wisst ja schon, dass mein Vater hier eine Menge Geld versteckt hat, wieviel, weiß ich nicht. Aber es muss sehr viel sein.
Als er aus der Stadt verbannt wurde, hatte ich gedacht, dass ich jetzt endlich meine Ruhe vor ihm hätte, aber da hatte ich mich getäuscht. Er schickte seinen engsten Vertrauten, einen Gnom namens Dalakhar, um mich zu überwachen, warum auch immer. Dann, vor gut zwei Wochen, war der Gnom verschwunden. Ich habe ein paar gute Kontakte in die Stadt hinein und die sagten, dass er einen Stein geklaut hätte und jetzt die Zents und die Xans hinter ihm her wären. Er wollte eine Gruppe von Abenteurern aufsuchen, weil er von meiner Rettung erfahren hatte. Ich vermute, ihr solltet den Stein nach Neverwinter bringen."
Da konnten wir erst mal nichts zu sagen. Das war mal eine Eröffnung! Wir nippten an unsere Wein und hingen unseren Gedanken nach. Plötzlich lachte Renaer.
"Nun, jetzt ist der Stein woanders. Es kann uns ja egal bleiben. Wir haben ein Restaurant und ich glaube, unser Koch ist fertig."
Tatsächlich, es ging los.
Es gab kleine Küchlein mit was drin, eine sehr leckere Suppe, die recht scharf war, Scheiben einer gefüllten Fleischrolle, die leicht süßlich schmeckte und einen süßen Pudding mit viel Zimt und Vanille. Die Fruchtsoße darauf war säuerlich, aber beides zusammen im Mund war genial.
Es war lecker. Der Junge war wirklich gut. Ich war eigentlich nicht in der Position, um das zu beurteilen, weil es so etwas in den Docks nicht gab und bei Durnan auch nicht. Es war neu und es schmeckte anders als alles, was ich bisher gegessen hatte.
Ich sah allerdings das Gesicht von Renaer und das sagte mir alles, was ich wissen musste. Der hatte andächtig gekaut und wirkte zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, entspannt.
"Und?", fragte Frida. "Wie war das? Ich fand es interessant, denn so kochen wir nicht zu Hause."
"Geht mir auch so," sagte ich, "aber es war wirklich toll. So etwas habe ich noch nie gegessen."
Der kleine Halbling lächelte. "Das glaube ich. Ich habe das selbst entwickelt. Die gegensätzlichen Aromen spielen mit den Geschmacksnerven und lösen bestimmte Gefühle aus."
Renaer lehnte sich zurück. "Nehmt ihn, besser kann es nicht werden. Das ist mein Rat."
"Wenn du das sagst, werden wir uns darauf verlassen.", sagte Florence. Sie wandte sich an den Halbling. "Du bist engagiert."
"Wann soll ich anfangen?"
"Morgen. Du musst ja die Küche noch nach deinen Bedürfnissen einrichten. Wenn dein Onkel mit der Renovierung fertig ist, ich denke, so in fünf Tagen, werden wir öffnen. Das hängt jetzt aber tatsächlich von dir ab. Überleg dir ein Eröffnungsmenü, nicht zu kompliziert, damit wir den ersten Abend überleben. Es wird ziemlich voll werden, denke ich. Hier hast du Geld, kauf alles ein, was du brauchst. Vielleicht stellen wir sogar noch Stehtische nach draußen. Wenn du oder dein Onkel jemanden kennen, der dir in der Küche helfen kann, dann sag Bescheid."
Renaer lächelte und sagte: "Ich reserviere hiermit einen Tisch für sechs Personen."
"Wer kommt denn noch?"
"Freunde von mir, lasst euch überraschen."
Das beruhigte mich jetzt nicht besonders.
Kein Plan reicht mit einiger Sicherheit über das erste Zusammentreffen mit den Spielern hinaus.
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Re: Tales from the Table (D&D 5e) Dragon Heist

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1492 Tarsakh 14

Das Leben begann hektisch zu werden. Heute war schon wieder jemand mit einem Problem da, diesmal für Florence. Es war ein junges Mädchen, das sich nicht so bewegte, wie das junge Mädchen normalerweise tun.
"Herr Ambrose Everdawn ist ein alter Kämpe aus Kelemvor, dem die Stadt mal geholfen hat und der jetzt immer mal wieder ein paar Aufgaben aus Dankbarkeit übernimmt. Die Wache hat einen Nekromanten geschnappt, der Knochen vom Friedhof gestohlen hat. Sie vermutet, dass bereits fertige animierte Wesen auf dem Friedhof sind. Herr Ambrose könnte dort ein wenig Hilfe gebrauchen, wenn ihr nicht zu beschäftigt seid. Falls ihr könnt, dann kommt bitte heute Abend zum 9. Glockenschlag zum Friedhof, Haupttor."
Nicht zu beschäftigt war lustig. Immerhin war in vier Tagen die Eröffnung und wer nachts auf dem Friedhof herumhuscht, ist tagsüber zu müde zum Arbeiten. Aber wir sagten zu. Es mussten ja nicht alle gehen.
Nicht alle waren Florence und ich. Wir trafen den alten Mann am Haupttor. Der war erst überhaupt nicht amüsiert, dass man ihm Feuchtohren zur Seite gestellt hatte, aber dann wurde er doch etwas zutraulicher. Er wies uns an, in der Südhälfte des Friedhofs zu patrouillieren, er würde die Nordhälfte übernehmen. Das wäre dann für die nächsten zehn Tage oder bis etwas Ungewöhnliches passieren würde. Zehn Tage? Mist. Aber wir hatten Glück.

(SP: Der SL hatte nach unserem Gemecker wohl ein Einsehen, dass das mit den Zeiten nicht hinkam.)

Es ging so gerade auf Mitternacht zu, als wir Schritte hörten. Wir machten es uns in einem Gebüsch gemütlich und dann kamen sie: Sechs Skelette in Reih und Glied auf dem Weg zum Tor. Herr Ambrose war natürlich woanders und so begrüßte ich die Truppe mit meinen Feuerkugeln. Zwei zerfielen in ihre kokelnden Bestandteile und ein drittes klappte zusammen, weil sich sein Schädel in Splitter auflöste. Die anderen machten Front gegen uns und wollten herumzanken. Zwei weitere brannten umstandslos ab und Florence erschoss auch noch das letzte.
Kurze Zeit später hörten wir Laufschritte und Herr Ambrose kam keuchend angerannt. Ein Mann in seinem Alter sollte sowas nicht tun, denn er brauchte etwas, um wieder zu Atem zu kommen.
"Meiner Treu, da bin ich um einen netten kleinen Kampf betrogen worden! Das war ein Stück Glück, möchte ich meinen. Gute Arbeit, ihr zwei. Ich sage der Enklave Bescheid."
Dann fiel ihm noch etwas ein. Er suchte in seiner Tasche und gab jedem von uns einen grünen Edelstein. "Hätte ich es doch fast vergessen. Das ist für eure Dienste." Sprach's und marschierte davon. Das Ding war gute 100 Drachen wert. Viel Geld für eine halbe Nacht Arbeit.
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Re: Tales from the Table (D&D 5e) Dragon Heist

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1492 Tarsakh 15

Nach dem Frühstück klopfte es an die Tür. Ich machte auf und sah erstmal niemanden.
"Hallo? Hier unten."
Ich blickte nach unten und sah in die hoffnungsfrohen Gesichter von vier Halblingen, drei Jungs und ein Mädchen. Die Gesichter kamen mir bekannt vor und dann machte es 'Klick'.
"Kommt doch bitte rein. Was möchtet ihr?"
Die vier Halblinge sahen sich im Raum um und grüßten die anderen. "Wir haben gehört, dass hier bald das Restaurant wieder öffnet. Braucht ihr noch ein paar Kellner?"
"Die brauchen wir tatsächlich.", nickte ich. "Frida, machst du bitte mal die Tür zu?"
Sie schaute fragend, aber tat, was ich sagte.
"Danke. Wer hat euch geschickt?"
Sie sahen fragend und sehr unschuldig aus. " Wir haben davon gehört. Wieso? Was ist denn?"
"Ihr seid Scherbenmeider."
Jetzt sahen sie alarmiert aus. Frida verstand auf einmal, ebenso Florence. Beide machten sich kampfbereit. Erdan kannte die noch nicht, aber sah an unseren Reaktionen, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
"Scherbenmeider arbeiten nicht als Kellner.", erklärte ich. "Ich denke mir, jemand hat euch angeheuert, um das Restaurant zu sabotieren. Ich glaube auch zu wissen, wer das war. Aber wir möchten keinen Ärger. Wieviel hat er euch geboten?"
Die Halblinge sahen sich um. Bewaffnete und ein Küchenmesser, das in der Luft schwebte. Lif war wohl auch sauer.
"Es war Emek. 50 Drachen hat er bezahlt."
"Ich bezahle euch das Gleiche. Dafür kommt ihr hierher und geht abends wieder weg, damit es richtig aussieht. Ihr sagt Emek nach zwei Tagen, dass ihr euer Bestes gegeben habt, aber es wäre zu gefährlich. Wenn er mehr bietet, sagt es mir und dann gehe ich zu Emek. Er wird nicht erfreut sein."
Ich rief die Magie. Es wurde dunkler im Raum. Schatten wanderten herum und schlangen sich um mich. Schneeflocken rieselten zu Boden und meine Hände begannen zu glühen. Subtilität war nicht so meins.
"Emek wird es nicht wieder versuchen. So habt ihr 100 Drachen und es gibt keine Toten. Besprecht das bitte mit 'Ma Batti'. Alles klar?"
"Ja, alles klar. Danke."
Ich nickte gnädig. Meine Freunde sahen etwas verwirrt aus.
"Gut, wir sehen euch morgen."
Die Halblinge machten sich vom Acker mit dem Versprechen, morgen wieder zu kommen.
"Wer ist 'Ma Batti'?", wollte Frida wissen. "Und warum hast du sie laufen lassen?"
"Sie ist das weibliche Oberhaupt der ganzen Brut. Es gibt noch weniger schmeichelhafte Namen für sie. Und zur zweiten Frage: Was wolltest du denn tun? Wir können hier nicht einfach Leute umbringen, abgesehen davon, dass das den neuen Boden versaut. Wir Unabhängigen arbeiten möglichst nicht gegeneinander in den Docks. Diese Lösung hilft allen Seiten und es gibt keine schlechte Laune."

Nachts gingen wir in den Docks spazieren. Ich kannte da ein paar Leute, die wieder andere Leute kannten. Wir Twilighs haben immer noch einen guten Ruf. Jedenfalls kannte man Harko und wir fanden seine Spur und das Lagerhaus, in dem er sich eingerichtet hatte. Er war auch nicht so blöde wie die Zents in der Kerzengasse und wir fanden einen weiteren Ausgang. Dort postierten wir Erdan. Wir gingen zum Haupteingang und klopften. Nach kurzer Zeit hörten wir eine pfeifende Stimme: "Ja?"
Ein Kenku. Die konnten nicht selber reden, hatten aber ein unglaubliches Gedächtnis für Sätze anderer Leute, die sie dann imitierten. Das war unheimlich, denn sie imitierten auch Höhe und Tonfall.
"Hör mal Krähe, es gibt Ärger. Nihilor hat rausgefunden, dass die Grafen einen Attentäter auf Harko angesetzt haben."
Eine tiefe Stimme fragte: "Die Losung lautet?"
Eine hohe Stimme antwortete: "Argarond."
Krähen sind nicht die hellsten. Auf der Rückseite brachen Kampfgeräusche aus. Frida hastete davon, um mal nachzusehen. Ich warf einen Schlaf auf die Türe. Dann brachen wir die Torflügel auf und sammelten die beiden schnarchenden Krähen ein.
Frida und Erdan waren ebenfalls fertig und wirkten etwas zerzaust. Harko war wohl nicht der schlechteste Kämpfer gewesen. Er war bewusstlos und sie hatten ihn verbunden.
Jetzt galt es, die nächste Wache zu finden, denn wir hatten keine Lust, die drei durch die Docks zu schleppen. Das könnten andere Nachtratten missverstehen und Ärger verursachen. Ich ging also auf die Suche und fand nach einer guten halben Stunde unseren alten Freund, Hauptmann Staget. Ich erklärte, wen wir da durch Zufall gefunden hatten und dass er leider sehr angriffslustig gewesen sei und wir deshalb leider …
Der Hauptmann glaubte mir kein Wort, bis er Harko sah und ihn erkannte. Ich bin immer wieder erstaunt, was die Grünröcke für ein gutes Gedächtnis haben. Dann glaubte er mir alles, bedankte sich, schwadronierte von 'Bürgersinn' und 'ach, wenn doch alle so wären' und verschwand glücklich mit seiner Beute Richtung Wachstation.
Das waren mal wieder typische Sätze der Wache. Wenn wir alle so wären, dann würde er die Straße fegen, weil sein Job überflüssig war.
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Re: Tales from the Table (D&D 5e) Dragon Heist

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1492 Tarsakh 16

Mich erreichte eine Nachricht von Vajra. Diesmal ging ich alleine. Ich musste etwas warten und vertrieb mir die Zeit damit, das Vorzimmer zu untersuchen. Interessant, was hier für Sprüche versteckt waren. Ich zählte vier Erkenntniszauber und zwei Beschwörungen, die nur darauf lauerten, aktiviert zu werden. Die Dame hatte wohl schlechte Erfahrungen gemacht oder ein schlechtes Menschenbild. Andererseits, wenn ich Waterdeep angreifen wollte, würde ich vermutlich hier zuerst auftauchen. Ich überlegte gerade, ob ich mal mit dem Identifizieren anfangen sollte, als die Türe aufging und sie mich hinein rief. Ich zuckte schuldbewusst zusammen.
Sie grinste breit, als ich das Zimmer betrat.
"Na, Ewan, was ist in meinem Vorraum?"
"Öhm," stammelte ich und riss mich zusammen, "einige Erkenntniszauber. Ich vermute, um Besucher auf Magie zu überprüfen und um zu lauschen, was sie so während der Warterei sagen. Die Beschwörungen rufen Wächter, falls die Lauscherei was Verdächtiges ergibt."
"Stimmt in etwa," sagte sie, nicht unfreundlich, "nicht schlecht für einen Anfänger. Neugier bringt einen weiter. Aber nun zu meinem Anliegen."
Sie bot mir einen Sitzplatz an und wir setzten uns.
"Du bist ja aus den Docks, dann kennst du auch den Tiefwasserhafen, wo die voll beladenen großen Schiffe anlegen?"
Ich nickte.
"Gut, dort scheint sich ein junger Bronzedrache eingenistet zu haben. Er hat ein paar Matrosen erschreckt, aber bisher nichts Ernstes angestellt. Besucht ihn bitte und findet heraus, was er da will."
Mir wurde warm.
"Ähm, ein Drache?"
"Ja, das sagte ich." Sie runzelte die Stirn.
"Wir sollen ihn fragen, was er da macht?"
"Worauf willst du hinaus?"
"Ich meine, das ist ein Drache. Mit Leuten komme ich ja gut klar, aber ich habe noch nie mit einem Drachen geredet. Was ist, wenn er schlechte Laune hat? Was ich so gehört habe im Portal, sollen die ja recht unverwundbar sein."
"Du hast Angst?"
Ich wollte gerade bejahen, als mein Gehirn mich kräftig gegen das Schienbein trat und ich meinen Mund wieder zumachte. Graue Hände bekämpften das Außergewöhnliche. Wenn es einfach wäre, dann bräuchte man sie nicht zu rufen. Das war ein Test, nichts anderes. Der war bestimmt harmlos, sonst dürfte er da nicht herumpaddeln.
"Gut, machen wir. Allerdings gibt es noch eine Schwierigkeit, ich bin noch nicht weit genug, um Wasser in Luft zu verwandeln."
Jetzt lächelte sie wieder. "Ich sehe, du hast verstanden."
Sie griff unter ihren Schreibtisch und gab mir eine kleine Kiste.
"Hier sind vier Tränke zum Wasser atmen. Die halten etwa eine Stunde, das sollte hoffentlich reichen."
Sie stand auf, aber dann fiel ihr noch etwas ein.
"Eines noch: Du und deine Freunde machen viel Unruhe momentan. Waterdeep ist wie ein klarer Teich mit sehr viel Schlamm auf dem Boden. Der Schlamm wird gerade aufgewühlt und man sieht auf einmal 'Dinge', die einer Untersuchung bedürfen. Seid vorsichtig, denn einige Leute hier in der Stadt schätzen es nicht, wenn 'Dinge' sichtbar werden."
Damit war ich entlassen.

Wen sollte ich mitnehmen? Alle? Wir sollten reden, nicht kämpfen, denn ich schätzte unsere Chance im Wasser als recht gering ein. Und dann ritt mich der Teufel. Wenn's nur ums reden ging, dann konnte ich das auch alleine. Ich sollte allerdings Bescheid geben, damit die anderen wussten, wo ich war. Ach was, sie wussten, wo ich hingegangen war und wenn ich nicht zurückkam, würde ihnen Vajra schon sagen, wo meine modernden Überreste höchstwahrscheinlich lagen.
Also machte ich mich auf den Weg zum Hafen. Nach ein wenig Herumgefrage hatte ich eine Idee, wo der Drache wahrscheinlich war. Ich suchte mir einen älteren Mann mit einem kleinen Boot, der nichts gegen einen Zuverdienst hatte. Als er hörte, wo ich hinwollte, verdoppelte sich der Preis schlagartig.
Als wir an der Stelle angekommen waren, zog ich mich aus, trank ich eins der Fläschchen und ließ mich ins Wasser gleiten. Atmen konnte man, aber ich hatte sehr schnell eine lukrative Idee. Das Zeug sollte bitte auch gleichzeitig gegen die Kälte schützen. Das musste ich Vajra sagen, wenn ich zurückkam.
Wenn.
Ich schwamm in die Tiefe. Dunkler Meeresgrund kam immer näher. Planken und vor allem Abfälle steckten im Schlamm. Was wollte ein Drache hier, verdammt? Etwas weiter weg vermeinte ich die Umrisse eines Wracks zu sehen. Dort schwamm ich hin. In der Seitenwand war ein großes Loch, Fische schwammen hinein und hinaus und ich riskierte einen Blick ins Innere. Riesige Augen in einem goldfarbene Gesicht mit einem Maul voller Reißzähne starrten zurück. Ich machte mir vor Schreck in die nicht vorhandene Hose.
"Pfui.", dröhnte es aus dem Wrack.
"Argh," sagte ich, "hast du mich erschreckt."
"Hast wohl keinen Drachen erwartet, was? Du bist bestimmt ein Plünderer. Das hier ist mein Wrack, damit das klar ist."
"Ist klar. Ich heiße übrigens Ewan, und du?"
"Zarnifax. Hm, sag mal, wenn du hier hinunter tauchst, was hast du denn hier erwartet?"
Ich überlegte hektisch. Die Frage konnte eigentlich nur eins bedeuten: Der Pott war leer.
"Na, natürlich Reste der Ladung. Vielleicht wäre was Wertvolles dabei, wie alte Weinflaschen oder Porzellan oder so. Die werden gut gehandelt, wenn sie noch in Ordnung sind."
"Was, kein Gold und Silber?"
"Nee, Schatzschiffe werden immer direkt gehoben, da bleibt nichts über."
"Ach so ist das hier. Das ist ja blöd. Wie komme ich denn dann an Schätze?"
Ich gewann langsam den Eindruck, dass der hier zwar groß, aber noch ein wenig unbedarft war. Der Gute war wohl wirklich noch jung, wie Vajra gesagt hatte.
"Das weiß ich nicht. Eine gute Stelle sind meisten Riffe an der Küste, wo Schiffe bei Sturm auf Grund laufen. Oder du könntest deine Dienste der Stadt Waterdeep anbieten und die bezahlen dich dann dafür."
"Arbeiten? Ich? Für Menschen?" Es schnaubte abfällig aus dem Loch und ich wurde ein paar Meter zurückgetrieben.
"Wo sind denn solche Klippen?"
"Das weiß ich nicht, da müsstest du Kapitäne von Schiffen fragen. Die kennen solche Stellen. Ich bin kein Seemann."
"Na gut, trotzdem danke. Du darfst gehen."
Was ich dann auch tat. Ich tauchte wieder auf und paddelte zu dem Boot. Der alte Mann half mir rein und ich trocknete mich ab und bibberte mich warm.
"Und, erfolgreich?"
"Jupp, da war wirklich ein Drache. Der sucht nach Schätzen und findet keine. Der ist aber noch jung. Ich habe ihm erzählt, er müsste nach gefährlichen Klippen draußen Ausschau halten, da könnte er Glück haben. Ansonsten werft ihm ein paar Münzen zu, wenn er zu lästig wird."
Der alte Mann lachte. "Guter Trick. Wer bist du eigentlich?"
"Ewan, vom 'Wachsamen Orden der Magier und Beschützer'."
Ein wenig Werbung kann nicht schaden, dachte ich mir.
"Von euch hab ich schon mal gehört. Jetzt weiß ich endlich auch, was ihr so macht."

Nach meiner Rückkehr suchte ich den Schwarzstabturm erneut auf. Ich musste warten, aber schließlich konnte ich Vajra meine Erkenntnisse erzählen. Dabei erfuhr ich, dass ich der erste war, der den Drachen 'untersucht' hatte. Soviel zum 'Der ist bestimmt harmlos'. Nichts ist hier harmlos.
Dann fuhr und ging ich nach Hause. Ich hatte drei Tränke 'Wasser atmen'. Eine gute Ausbeute für einen Nachmittag. Dafür durfte ich mir einen Einlauf von den Mädels abholen. Immer mindestens zu zweit ab jetzt.
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Re: Tales from the Table (D&D 5e) Dragon Heist

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1492 Tarsakh 17

Jalester hatte Wort gehalten. Wir sollten uns zur neunten Stunde bei den Greifenreitern auf dem Hausberg von Waterdeep einfinden. Da wäre ein junger Greif im Training, der könnte mit einem Reiter dem Altgreif folgen. Ich schlug vor, Stöckchen zu ziehen. Der mit dem kürzesten musste auf den Greif, aber Florence meldete sich sofort freiwillig. Es gab einen kurzen Donnerschlag, weil ihr Finger mit Schallgeschwindigkeit oben war. Sie gewann eine Zehntelsekunde vor Erdan. Ich war offenbar von Wahnsinnigen umgeben. Aber gut, dann konnte die Schau beginnen.
Zwei Stunden später war Florence zurück, windzerzaust und glücklich. Den Flinkling hatte sie gefunden. Wir bedankten uns artig für das tolle Erlebnis und begaben uns auf den Heimweg.

Er war in der Gralhund-Villa. Da wusste ich nicht viel drüber, denn über die Familie gab es kaum Gerüchte. Dame Gralhund wurden Ambitionen auf ein Amt als 'Maskierte Fürstin' nachgesagt. Da würden wir dann heute Nacht mal nachsehen müssen. Wenn wir dabei erwischt würden, waren wir so gut wie tot. Das gab Steinbruch bis ans Lebensende.

Es war schon sehr spät, als wir uns auf den Weg machten. Die Villa wirkte verrammelt und nur wenig Licht schien durch die Fenster. Wir machten eine Runde um den Block und sahen, dass es so etwas wie einen Dienstboteneingang gab.
Ich knackte das Schloss der Seitentür, was schwerer war, als es aussah. Wahrscheinlich war es mit einem Arkanen Schloss gesichert. Ein Blick in den Gang verhieß nichts Gutes, denn der Durchgang zur Küche war von einer Leiche blockiert. Entfernt waren Kampfgeräusche zu vernehmen. Vorsichtig betraten wir das Haus. In der Großen Halle standen zwei in Leder gekleidete Männer Wache, beide unschwer als Gesindel zu erkennen. Mehrere Leichen in Gralhunduniform lagen auf dem Boden herum und versauten die Teppiche.
Frida und Erdan fielen über die beiden Zents her. Der Kampf war heftig, aber kurz, vor allem, weil Florence ihrer Lieblingsbeschäftigung nachging, mit ihrer Armbrust Löcher in anderer Leute Körper zu stanzen. Bei den Göttern konnte die schnell schießen! Ich schleppte dieweil eine der Dienerleichen zur Seitentüre und ließ sie dort so zurück, so als wäre sie beim Fluchtversuch gestorben. Die richtigen Spuren legen, wenn man später seine Anwesenheit erklären muss, ist wichtig.
An der Treppe kämpften noch vier Angehörige der Hausgarde gegen drei weitere Zents. Die allerdings sahen jetzt nicht so aus, als würden sie die Oberhand gewinnen. Weitere Leichen von Wachen und Zentarim waren auf der Treppe verstreut.
Von oben ertönte heftiges Bollern, so als würde jemand versuchen, eine Tür aufzubrechen. Ich rief etwas von „Orden der Magier“ und quetschte mich vorbei. Die Jungs in der Gralhunduniform hatten mich wohl richtig verstanden und ich kam vorbei. Florence erschoss dieweil leise kichernd den ersten der Banditen.
Oben angekommen sah ich einen Irren, der versuchte eine verrammelte Türe aufzubrechen. Eine Kältekugel sollte ihn beruhigen, aber der Kerl drehte sich um und fixierte mich mit blutunterlaufenen Augen. Ups! Erfreulicherweise tauchte die gepanzerte Gestalt von Frida neben mir auf, brüllte irgendwas Gutturales und warf sich mit rotierenden Schwertern auf den Typ.
Ich wandte mich von dem einsetzenden Blutbad ab und brüllte: „Hier ist die Wache! Es gibt keine Überlebenden! Falls hier noch irgendjemand nicht zum Haushalt gehört, Waffen weg und rauskommen.“
Eine weitere Tür öffnete sich einen Spalt und von oben herab schaute mich ein Halbork-Monstrum an. Erfreulicherweise trug es die richtige Uniform. Schatten umwogten mich, Schneeflocken rieselten zu Boden, arkanes Leuchten umspielte meine Hände und ich war rechtschaffen schlecht gelaunt.
„Ok, wer bist du?“
Er knurrte was von „Rabatz“ und gab die Tür frei. Dahinter stand die Dame des Hauses, in Brustplatte, schwer atmend und mit einem Rapier bewaffnet. Dame Gralhund! Auch ihr Schatten bewegte sich auf mich zu, um mich zu begrüßen, was sie irritiert zur Kenntnis nahm.
Ich verbeugte mich leicht. „Dame, das Haus ist gesichert.“ Sie nickte gnädig. „Seid ihr überfallen worden? So ein Schlachthaus habe ich ja lange nicht mehr gesehen.“
Sie ließ sich auf den Sessel fallen. „Ja, ja … ich weiß nicht. Ich wollte mich gerade zur Ruhe begeben als die Kämpfe einsetzte. Sind mein Mann und meine Kinder wohlauf? Wer seid ihr eigentlich?“
Sie log. Und wie. Mist, was war hier vorgefallen? Die Zents mussten sich schon im Haus befunden haben, es war ja schließlich alles verriegelt und verrammelt. War das ein Streit unter Geschäftspartnern?
„Ewan Twiligh, vom 'Wachsamen Orden der Magier und Beschützer'. Meine Freunde und ich waren gerade auf dem Nachhauseweg, als wir an eurem Gebäude eine offene Seitentüre sahen.“
Sie runzelte leicht die Stirn und lächelte dann wieder. Etwas starr, wollte ich meinen. „Eine offene Tür?“ Die Betonung gefiel mir nicht. Elegant ging ich über den Einwand hinweg.
„Da mir das ungewöhnlich vorkam, warf ich einen kurzen Blick hinter die Tür und sah die erste Leiche. Da haben wir natürlich nicht lange gezögert.“
In der Tür tauchte jetzt die blutbefleckte Frida auf. Sie und der Halbork mochten sich auf Anhieb. Ich wüsste nicht zu sagen, wer hier das bessere Knurren abgegeben hatte. Auch die Dame war hinreichend beeindruckt und winkte ihren Schergen zurück, der unwillkürlich einen Schritt vorwärts gemacht hatte.
„Hier ist die Wache!“ tönte es zum zweiten Mal. „Waffen weg oder …“ Durch das Fenster sah ich den ersten Greifenreiter nieder gehen. Das versprach ja die ganz große Oper zu werden.
Ich sagte „Moment“, wandte mich um und ging zur Treppe. Richtig, die Stimme kannte ich. Ich grinste wie ein Irrer und winkte Sergeant Cromley zu. Und wieder richtig, in seinem Kielwasser segelte sein unzertrennlicher Schatten, Barnibus der Magier. Der Sergeant musterte mich mit seinem finstersten Blick. „Du schon wieder!“
„Danke, lieber Ewan. Danke, dass ihr wieder unsere Arbeit gemacht habt!“ Ich grinste weiter.
Cromley fand das nicht witzig. Barnibus auch nicht. Ich seufzte. Das würde eine lange Nacht mit vielen Verhören geben. Die überlebenden Wachen des Hauses unterstützten uns allerdings lautstark. Gut so, schließlich hatten wir ihnen aus der Patsche geholfen. Auch die Dame log, dass sich die Balken bogen und drückte auf die Tränendrüse und was für tapfere Helden wir alle wären …
Cromley war sich sicher, dass hier nichts so war, wie es aussah. Guter Mann! Aber was sollte er machen? Schließlich zogen er und sein Trupp wieder ab.
Auch wir verabschiedeten uns und zogen von dannen. Ich hoffte sehr, dass wir überzeugend die Simpel gegeben hatten. Nichts wäre schlimmer, als eine solche Frau zum Feind zu haben. Ihr Alter würde dichthalten, da war ich mir sicher. Wenn der sich verplappert, verfüttert sie ihn an die Raben. Lebendig.

Florence sagte auf dem Heimweg, dass sie kurz mit dem Hausherren geredet hätte, als Dame Gralhund durch mich abgelenkt war. Der war wohl sehr durcheinander, denn er hatte viel gesagt, was er besser nicht gesagt hätte.
"Der Stein von Golorr ist eine altes Wesen, welches in ein Artefakt transformiert wurde. Nur der Stein weiß, wo sich der Schatz von Dagult befindet. Es soll sich um dabei um mehrere hunderttausend Drachen handeln."
"Argghhh, wieviel?" Renaer hatte zwar gesagt, es wäre viel, aber so viel? Ich musste mich erstmal an eine Hauswand lehnen, weil mir schwindlig wurde.
"So viel Gold? Damit kann man die Stadt kaufen."
Florence nickte zustimmend. "Das war auch mein erster Gedanke. Aber es kommt noch besser. Das Haus Gralhund ist die Bank der Zentarim, daher könnten sie das Geld gut gebrauchen. Seine Frau wusste, wer den Stein hat, nämlich ein Vertrauter von Dagult.
Sie war unzufrieden mit den Fortschritten der Zents und hat ihrem neuen mechanischen Diener, den sie vor einem Monat gefunden hatte, eine Feuerballkette gegeben, aber der war wohl überfordert und hat gleich alles eingeäschert. Dann kamen die Zents und haben den Stein gebracht. Seine Frau hatte jetzt sicherheitshalber den Flinkling mit dem Stein weggeschickt, falls die Zents verfolgt worden wären. Das fanden die Zents nicht toll. Denn Rest kennen wir."

Viel schlauer waren wir aber trotzdem nicht, außer dass wir in einer Intrige gigantischen Ausmaßes verstrickt waren. Die Marionette war verschwunden und mit ihr der Stein von Golorr. Die Suche musste erneut beginnen. Dame Gralhund war so tief drin verwickelt wie es nur irgendwie ging. Das konnte nur bedeuten, dass die Marionette irgendwo war, wo die Gralhunds Zugriff drauf hatten, entweder weitere Anwesen außerhalb der Stadt oder… ein Geistesblitz durchzuckte mich: Die Familiengruft. Der Friedhof von Waterdeep. Kein gutes Pflaster, schon gar nicht in der Nacht. Aber sicher. Da gingen nur die Harten hin. Und nur die ganz Harten kamen auch wieder zurück. Wir hatten ja den Flinkling-Sucher. Da könnten wir anfangen.
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Re: Tales from the Table (D&D 5e) Dragon Heist

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1492 Tarsakh 18

Die Renovierung war abgeschlossen. Pip glaubte, die Küche im Griff zu haben und wir beschlossen, jetzt die Werbetrommel zu rühren. Die Eröffnung würde übermorgen, Tarsakh 20 sein. Wir sagten Renaer Bescheid und verteilten Plakate in der Stadt.
Das war eine zu gute Idee. Innerhalb von vier Stunden waren wir ausgebucht. Was zum Teufel ging denn hier ab? Der 'Trollschädel' musste wirklich gut gewesen sein. Es kamen immer mehr Anfragen und ich glaube, wir waren den nächsten Zehnttag ausgebucht. Florence grinste und sagte, mindestens die nächsten drei. Donnerwetter! Damit hatte ich nicht gerechnet. Die anderen auch nicht. Pip war begeistert. Da waren ja wirklich alle dabei, die Rang und Namen hatten, von den Gildenmeistern über den Adel bis zu den örtlichen Bossen.
Die Stadt schwirrte übrigens vor Gerüchten. Es hatte ein Blutbad bei einer adeligen Familie, den Gralhunds, gegeben. Zentarim waren wohl nachts in das Haus eingedrungen und wollten die Familie meucheln.
Zufälligerweise war ein Magier des 'Wachsamen Ordens' mit Freunden in der Nähe gewesen und hatte das Schlimmste verhindert. Auf alle Zentarim waren Kopfgelder ausgesetzt worden. Keine guten Zeiten für die Zents, möchte ich meinen. Vajra schickte mir eine Sprachnachricht. Ich hörte sie lachen, das war alles. Was sollte das denn, bitte?
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Re: Tales from the Table (D&D 5e) Dragon Heist

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1492 Tarsakh 20

Wir waren ja so aufgeregt. Heute Abend würde das Restaurant eröffnen. Wir hatten mehr Anfragen für Reservierungen bekommen, als wir Plätze hatten. Das war schon mal gut. Lif übte den halben Tag mit Tabletts voll Getränken und schien glücklich. Wir putzten, stellten permanent die Dekorationen um und waren unruhig.
Dann wurde es endlich Abend und die ersten Gäste kamen. Ich stand mit Lif vor dem Portal, begrüßte jeden und Lif drückte ihnen einen Willkommensdrink in die Hand. Das kam schon mal gut an. Florence und Frida begleiteten die Gäste zu ihren Plätzen, oder verteilten sie an der Bar und an den Stehtischen.
Es war bereits gut voll, als eine Kutsche vorfuhr, mit vier Pferden davor. Der Vierspänner hatte das Stadtwappen von Waterdeep auf den Türen. Wer bitte war das denn? Und dann stieg Sie aus. Schweigen senkte sich über die sich unterhaltende Menge. Neben mir rappelte ein Tablett in der Luft, als selbst der Poltergeist erkannte, wer das war, und nervös wurde.
Es war Laeral Silberhand höchstpersönlich! Und als nächstes Vajra Safahr! Und wir hatten keine Plätze mehr frei. Ich überlegte gerade, wie ich mich zur Maus machen und mich verpissen konnte, als als nächstes Renaer ausstieg. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Den Plumps musste man bis Neverwinter gehört haben.
'Ich bringe ein paar Freunde mit', hatte er gesagt. 'Lasst euch überraschen', hatte er gesagt.
Bei ihm waren noch sein Kumpel Floon und jemand, den wir nicht kannten. Renaer winkte uns fröhlich zu und ergötzte sich sichtlich an unseren fassungslosen Gesichtern.
Florence fasste sich als erstes und machte einen Knicks.
"Dame Silberhand, es ist uns eine Ehre, dass ihr unser bescheidenes Restaurant am Eröffnungsabend besucht." Sie warf einen bitterbösen Blick zu Renaer hinüber. Der amüsierte sich köstlich.
"Ja, der junge Neverember hier wollte euch überraschen. Das scheint ihm gut gelungen, wie ich sehe." Sie lächelte. Das Tablett kam auf sie zugeschwebt. "Und der Herr Lif! Schön, dass ihr noch da seid." Das Tablett senkte sich und kam wieder hoch. Hatte der Poltergeist etwa einen Diener gemacht?
Florence führte die Adligen zu dem reservierten Tisch. Wir sagten der Küche Bescheid und Pip bekam ebenfalls fast einen Herzinfarkt. Der erste Tag als Koch in einem Restaurant und schon die 'Offene Fürstin' als Gast! Dann legte er noch einen Zahn zu. Seine beiden Küchenhilfen wurden ungewohnt ernst und halfen mit affenartiger Geschwindigkeit.
Die Musik und die Gespräche setzten wieder ein, das Essen war köstlich, wurde uns gesagt, die Getränke waren gut und gegen Mitternacht brachen die letzten Gäste auf. Wir brachen zusammen und setzten uns an den großen Tisch.
"Es hat geklappt.", flüsterte Frida. "Es hat geklappt."
Sie hieb dem Koch auf den Rücken, dass der fast vom Stuhl fiel.
"Du bist ein Genie! Und deine Helfer auch. Wahnsinn!"
"Danke, danke.", wehrte der bescheiden ab. "Ich muss noch lernen. Es war noch nicht alles so, wie es sein soll."
"Und morgen geht es weiter.", sagte Florence vergnügt. "Es ist alles ausgebucht."
Ja, morgen geht es weiter. Ich stöhnte innerlich. Wenn das jetzt Tag für Tag so geht, dann kündige ich. Das war ja anstrengender als irgendwelchen Monstern hinterher zu jagen.

Jedenfalls waren wir Stadtgespräch. Das würde nicht so bleiben, aber die nächsten Zehntage würde es hektisch bleiben. Wie sollten wir da auch noch den Stein suchen?

Level up!

Ende von Episode III
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Re: Tales from the Table (D&D 5e) Dragon Heist

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1492 Tarsakh 21

Ich hatte endlich Zeit, mich um das Zauberbuch von Uza zu kümmern. Das Ritual war ein Magischer Mund. Wenn man ein Gasthaus hat, ist das ein sehr nützlicher Spruch. Ich brauchte gute vier Stunden, um die Zugänge zu verminen. Außer meinen Freunden und dem Personal wurde jetzt sehr laut geschrien, wenn jemand durch die Türen oder die Fenster wollte. Bei der Haupttüre zum Restaurant ging das nicht. Da musste ich mir noch etwas ausdenken. Aber was tut man nicht alles für einen gesunden Nachtschlaf. Vajras Warnung war mir im Gedächtnis geblieben.
Den Rest verscherbelte ich und die anderen bekamen jeder etwas um die 100 Drachen.

Dann ging ich mit Florence auf dem Friedhof spazieren. Der Detektor blieb aber tot. Keine Spur von dem Flinkling weit und breit. Schade, das war eine gute Idee gewesen.

Dafür fanden wir ihn auf dem Rückweg. Florence hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, dass Gerät ab und an zu bedienen. Plötzlich schlug es an. Wir mussten etwas suchen, aber am Ende einer Sackgasse war ein Haufen Gerümpel aufgestapelt. Dort musste er sein.
Ich spähte in den Haufen und meinte, im Inneren eine humanoide Gestalt zu sehen, die sich in einen langen Umhang gewickelt hatte.
"He, mein Freund, hast du dich hier versteckt?" fragte ich in das Gerümpel hinein. Keine Reaktion.
"Nim ist sehr traurig, dass du nicht mehr da bist." Etwas rappelte und bewegte sich.
"Nim würde dich gerne wiedersehen, was meinst du? Bisher waren die Leute nie nett zu dir. Im Haus von Nim wäre das anders."
Etwas flog aus dem Stapel und traf mich am Kopf.
"Ich glaube er möchte, dass du verschwindest.", kommentierte Florence.
"Ja, das glaube ich auch. Wir haben ein Problem. Wenn wir ihn da rausholen, kann das unangenehm werden. Wenn wir Verstärkung holen, dann ist er wieder weg. Trauen wir uns?"
"Zur Not müssen wir sehr schnell rennen.", sagte Florence.
Dann begann sie vorsichtig, den Stapel abzutragen. Das ging bis zu einem bestimmten Punkt und dann explodierte der Abfall und die Kreatur griff uns an! Mit jeweils einem Holzscheit links und rechts drosch sie auf Florence ein. Die setzte sich mit zwei kurzen Schwertern zur Wehr, die sie aus den Untiefen ihrer weiten Kleidung gezogen hatte. Ich versuchte, mit Kältekugeln zu unterstützen.
Nach kurzer Zeit blies ich zum Rückzug. Wir wichen zurück und die Kreatur war unschlüssig, was sie tun sollte.
"Ach was, ich versuche es einfach." Ich ballerte meinen liebsten Spruch auf ihn mit allem, was ich an arkaner Energie hatte. Er klappte zusammen und rührte sich nicht mehr.
"Ich hätte nicht gedacht, dass Schlaf auch hier funktioniert.", sagte ich erstaunt.

(SP: Der SL auch nicht. Aber es fand sich keine Spruch- oder Zustandsimmunität … also es fanden sich welche, aber eben nicht gegen Schlaf. Dass er keinen braucht laut sonstiger Beschreibung, heißt ja nichts. Die Diskussion dauerte ein wenig.)

Wir durchsuchten hektisch den Stapel und fanden erfreulicherweise Seilreste und alte Decken. Darin wickelten wir den Flinkling ein und verschnürten ihn, so fest wir konnten. Wir fanden eine Schriftrolle bei ihm.
Das war ja herzig. Der Flinkling hatte eine Karte dabei, wo er den Stein hinbringen sollte. Ich fasste es nicht. Es war ein Punkt, der mit 'Grinda Garloth' gekennzeichnet war. Das lag an der Nebelküste, am Nordende des Hafens. Wie dumm kann man denn eigentlich sein? Die Handschrift war weiblich und ich vermutete, dass Dame Gralhund wohl etwas in Hektik gewesen war, als sie das niedergeschrieben hatte.
Wir hatten die Spur wiedergefunden! Gold ohne Ende wartete am Ende des Regenbogens auf uns. Florence dämpfte meine Euphorie.
"Ich denke, wenn das für die Gralhunds ein sicherer Punkt ist, dann ist die Namensbesitzerin wohl nicht so einfach zu besiegen."
Das leuchtete mir ein.
"Das mag stimmen," sagte ich, "die Nebelküste ist ein verrufener Ort. Da geht niemand freiwillig hin. Da war es schon immer gefährlich, aber nach dem großen Brand im letzten Jahr lebt da nur noch der Abschaum."
"Was war passiert?"
"Die ganze Ansammlung an Hütten und Schiffswracks ist abgebrannt. Das loderte die ganze Nacht. Es gab Gerüchte, dass man nachgeholfen hat, um diesen Schandfleck loszuwerden und neues Bauland zu gewinnen. Hat aber nicht geklappt, die sind einfach in den Ruinen wohnen geblieben. Ich glaube, jede Stadt braucht einen Platz, wo die verlorenen Seelen hinkönnen."
"Das klingt ja sehr philosophisch, was du da sagst. Du hast wahrscheinlich sogar recht, wenn ich so drüber nachdenke."
Wir mieteten einen Karren samt Fahrer und ließen uns mit unserem zappelnden Gefangenen zum Tempel von Gond chauffieren. Dort gaben wir ihn ab und bekamen unsere 500 Drachen. Valetta hatte noch einen interessanten Gegenstand für uns. Es handelte sich um einen Kasten, der Bellen konnte und das so richtig, also wie ein großer wütender Hund. Sie sagte, dass er auf Vibrationen reagiert und, wenn das Uhrwerk ganz aufgezogen wäre, für gute acht Stunden laufen würde. Das war prima, denn der magische Mund auf der Eingangstüre machte Ärger, weswegen da keiner war und damit eine potenzielle Schwachstelle in meinem magischen Netzwerk entstanden war. Vielleicht wurde ich langsam ein wenig paranoid. Da wäre der Kasten nachts besser geeignet. Man musste nur daran denken, nachts nicht im Speisesaal herumzulaufen.

Der Abend verlief friedlich, das Restaurant war ausgebucht und nach gestern hatten wir ein wenig Routine gewonnen.
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Re: Tales from the Table (D&D 5e) Dragon Heist

Beitrag von Mercen »

1492 Tarsakh 22

Wir machten uns nach dem Frühstück auf den Weg zu den verlorenen Seelen im Dockviertel. Pip und seine Jungs hatten Schlüssel, erledigten die Einkäufe und räumten auf.
Wir wanderten die Docks entlang und erreichten die Grenze. Da war ein Streifen Niemandsland und dann begann die Bebauung wieder. Die Hütten wurden ärmlicher und waren teilweise nur noch mit Segeltuch abgedeckt. Verbrannte Balken reckten sich in den Himmel. Abfälle lagen herum. Ich möchte nicht wissen, wie das im Sommer hier stinkt. Verstohlene Bewegungen waren hinter den Fensterlöchern zu sehen. Die schiere gepanzerte Präsenz von Frida hielt die Bewohner aber davon ab, sich uns zu nähern. Hier brauchte man nicht auf die Wache zu hoffen, die würde höchstens in Kompaniestärke anrücken.
Weiter weg hörten wir bollernde Geräusche. Wir bewegten uns etwas schneller und hielten auf den Lärm zu. Der schmale enge Weg öffnete sich zu einem freien Platz. Links neben uns lag ein Schiffswrack halb auf dem Ufer. Rauchende Kamine zeugten davon, dass es bewohnt war. Vor uns war eine stabilere Hütte. Vier Banditen versuchten gerade, die Eingangstür mittels eines Balkens aufzubrechen. Daneben stand ein Zwerg und schien der Boss zu sein. Anstelle seiner linken Hand hatte er eine Armbrust als Prothese.
Als wir auf den Platz traten, gab er ein kurzes Kommando und die vier ließen den Balken fallen und zogen ihre Waffen. Zwei waren tätowiert. Xans!
Frida und Erdan zogen ebenfalls ihre Waffen und machten sich zum Angriff bereit. Ich beschloss, erst einmal die Kräfteverhältnisse zu klären und legte zwei der Banditen schlafen. So plötzlich der Hälfte seiner Männer beraubt, brüllte der Zwerg etwas Unverständliches und auf dem Schiff wurde es lebendig. Acht der Bewohner schwangen sich mit gezückter Waffe über die Bordwand und wollten in das Geschehen eingreifen.
Mist. Erdan brüllte und rannte nach vorne. Frida stellt sich zwischen mich und die angreifende Horde und hackte, untermalt von Hobgoblin-Flüchen, Arme, Beine und Ohren ab. Florence feuerte auf den Zwerg. Ich legte zwei der Neuankömmlinge schlafen.
Das waren zu viele Gegner für Frida, denn zwei kamen an ihr vorbei und wollten mich angreifen. Ich wich geschickt aus und ihre Schwerter glitten an meiner magischen Rüstung ab. Dem ersten hielt ich die Hand entgegen und eine schwärzliche übelriechende Wolke brachte ihn zu Husten. Dann kippte er röchelnd um.
Der zweite rammte mir sein Schwert in die Rippen. In letzter Sekunde bekam ich den neu erworbenen Schild zwischen die Waffe und mich. Dann bekam er ebenfalls eine Dosis Schattenparfüm ab. Leider war er robuster als sein Kollege.
Erdan hatte in der Zwischenzeit die beiden Banditen gefällt und machte sich über den Zwerg her. Der versuchte zu flüchten, aber die kleinen Beinchen wollten nicht so schnell wie ihr Besitzer das gerne gehabt hätte.
Mein Gegner holte erneut aus und versagte an meiner Rüstung. Allerdings war er auch etwas irritiert, weil die ganze Zeit schwarze Schatten über mich liefen. Eine zweite Dosis der Giftwolke beruhigte ihn endgültig. Mittlerweile war auch Frida fertig und schnitt demonstrativ an das Schiff gerichtet, den Schlafenden die Kehle durch. Das schien zu wirken, denn es kamen keine neuen Gegner.
Der Zwerg verlor erst seinen zweiten Arm und dann sein Leben. Stille senkte sich über den Platz. Leichen verschönerten das Ambiente. Die Türe der Behausung schwang auf und eine ärmlich gekleidete ältere Frau stand im Rahmen.
"Danke fürs Eingreifen, Ich heiße Grinda. Kann ich was für euch tun?"
"Das kann man so sagen." meinte Florence. "Wir suchen etwas, was dir vor fünf Tagen von einer Marionette überbracht wurde. Ich denke, Dame Gralhund hat auch eine Nachricht dazu geschrieben."
Ihr Blick wanderte zwischen uns hin und her. Dann seufzte sie. "Ihr seid Gralhunds? Kommt rein, dann erzähle ich euch, was vorgefallen ist."
"Wir sind keine Gralhunds. Geht schon mal vor, ich muss noch was nachsehen.", sagte ich.
Auf dem Platz war nichts Magisches. Als ich die Hütte betrat, änderte sich das. Auf einer alten Seemannkiste prangte eine wunderschöne Glyphe und die Dame des Hauses war in einen Zauber gekleidet. Der Rest hatte sich Sitzplätze in der versifften Bude gesucht.
"Also, ich mache Geschäfte. Mal mit den Xans und mal mit anderen Leuten. Als vor fünf Tagen die Marionette hier auftauchte und mir den Stein und einen Brief gab, dachte ich, nanu, was haben wir denn hier für eine Gelegenheit? Ich wusste, dass die Xans das Ding suchten. Wenn Dame Gralhund da auch hinterher war, musste es wertvoll sein."
"Wie sieht er denn aus?", wollte Florence wissen.
Statt einer Antwort bewegte die Grinda die Hand und etwas erschien in der Luft zwischen uns.
"So."
"Sieht aus wie ein Brot mit drei Edelsteinen."
"Ja, da ist aber noch mehr. Ich hatte ihn jetzt für ein paar Tage und ich hatte seltsame Träume von Meeresgrotten und Alter, die immer schlimmer wurden. Dort waren so schlangenartige Lebewesen, die komische Sachen machten."
Es sollte ja eine transformierte Lebensform sein. Was sah denn bitte aus wie ein schimmeliges Brot und war intelligent?
"Also beschloss ich, es zu behalten. Heute tauchten die Xans hier auf und forderten das Teil ein. Aber ich hatte es nicht mehr. Da hatte ich Angst, dass sie mich umbringen und verschloss die Tür. Den Rest kennt ihr ja, also vielen Dank nochmal."
"Wo ist er denn jetzt?", wollte Frida wissen.
"In meinem Familienmausoleum. Ich habe meinen Vertrauten mit dem Stein gestern dahin geschickt in der Hoffnung, dass es da sicher ist."
Ha, ich wusste es! Richtiger Ort, falsche Person.
Sie ging zur Truhe und klappte den Deckel hoch. Ich sah Zauberbücher, wie schon fast erwartet. Sie holte einen kleinen Schlüssel heraus und gab ihn Frida.
"Holt euch das Ding dort ab. Ich will damit nichts mehr zu tun haben."
Dann beschrieb sie uns den Ort des Grabmals auf dem Friedhof und wir verabschiedeten uns.
"Gehen wir gleich dahin?", fragte Frieda
"Liegt nicht gerade auf dem Weg, aber besser jetzt als später. Die halbe Stadt sucht mittlerweile danach.", meinte Erdan.
Also einmal quer durch die Stadt. Wir brauchten eine gute Stunde, bis wir die Stadt der Toten erreichten.

Das war gegen Mittag. Es waren nur wenige Spaziergänger unterwegs und von weiter weg hörten wir den Klang von Handglocken. Da fand wohl gerade ein Begräbnis statt. Es war eine schöne Parklandschaft, die ab und an von Mausoleen, Statuen und Begräbnisstätten unterbrochen war. Im Sommer, wenn das Wetter warm und die Hitze in den Straßen unerträglich war, traf sich hier die Bevölkerung zum Picknick.
Florence wirkte unruhig und sah sich die ganze Zeit um.
"Was hast du?", fragte ich.
"Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir beobachtet werden. Als Waldläuferin hat man da so einen sechsten Sinn für."
Dann blickte sie in den Himmel.
"Da oben." Sie zeigte auf einen Punkt am Himmel. "Verdammt, da hätte ich auch früher drauf kommen können."
Ich musste mich sehr anstrengen, bevor ich ihn bemerkte.
"In der Stadt wäre das schwierig gewesen, wegen der Dächer und Schornsteine. Aber hier?"
Dann grinste ich diabolisch.
"Du kleine Ratte, du denkst wohl, du bist außerhalb meiner Reichweite?"
"Ist er das nicht?", wunderte sich Florence. "Ein bisschen was an Zaubern kann ich ja auch. Das sind gute 50 Meter."
Ich warf einen Schlaf nach oben, angereichert durch eine Welle arkaner Energie. Der Punkt verlor rapide an Höhe, wurde größer und schlug etwa 30 Meter von uns entfernt auf der Wiese auf. Erdan lief hin und trat noch einmal kräftig drauf. Dann brachte er den Minibetrachter zu uns.
"Donnerwetter, das war weit. Und schon wieder einer von denen."
Ich lächelte bescheiden. "Tja, Zauberer sind immer für eine Überraschung gut. Aber du hast schon recht, normalerweise habe ich die Reichweite nicht."
Dank Grindas Beschreibung fanden wir das Mausoleum sehr schnell. Der Anblick war deprimierend, denn die Tür stand auf.
"Oh Mist, wir sind zu spät."
Wir sahen uns um, ob uns keiner beobachtete, und schlüpften in einem passenden Augenblick ins Innere. Wir brauchten einen Moment, bis sich unsere Augen an die Dunkelheit angepasst hatten. Auf dem Boden lag eine frisch getötete, sehr große Ratte, vielleicht einen Tag alt. Das Blut war in die Steinplatten gesickert und getrocknet.
"Das ist wohl der Vertraute.", meine Florence. "Warum kann nicht mal irgendetwas glatt gehen."
Wir durchsuchten das Mausoleum, fanden aber nichts als alte Särge, die teilweise frisch geöffnet waren und einen kleinen Schlüssel auf dem Boden.
"Ich glaube, die Ratte hatte Pech," meinte Florence, "und ist in die Hände von Grabräubern geraten. Wem gehört der Schlüssel, frage ich mich. Der dürfte jetzt den Stein haben."
Ich sah mir den Schlüssel genauer an. Das war meisterhafte Arbeit und nichts für den normalen Hausgebrauch.
"Ich besuche mal meinen alten Lehrmeister, denke ich. Das hier ist keine gewöhnliche Arbeit. Vielleicht findet er so etwas wie eine Schmiedemarke und kann uns sagen, wer das hergestellt hat."
Dann verließen wir diesen deprimierenden Ort und schlossen hinter uns ab.
Draußen wartete eine Überraschung auf uns. Ein Zwerg materialisierte etwa fünf Meter von uns entfernt. Er war ziemlich dünn, hatte weiße Haare, einen weißen, kurzgeschorenen Bart, lila Hautfarbe und ein gezücktes Kurzschwert. Er trug eine Sonnenbrille gegen die Helligkeit des Tages. Er sprach uns in Zwergisch an. Gut, dass ich das konnte.
"So, meine Freunde, mein Boss hätte jetzt gerne den Stein. Das zügig und ohne Stress, dann gibt es keine Toten."
"Wir haben den Stein nicht. Er hätte hier drin sein sollen," ich zeigte auf das Grabmal hinter mir, "aber es war bereits ausgeräumt. Wenn ihr ihn nicht habt, dann haben ihn wohl die Zents."
"Ist klar," grinste der Zwerg, "aber ich bin nicht blöd. Das hätte ich auch gesagt. Also her mit dem Teil."
"Was ist das eigentlich für einer? So einen dünnen Zwerg habe ich noch nie gesehen.", wollte Frida wissen. Ich übersetzte.
"Hä? Ein Dunkelzwerg, ist doch klar. Aber Schluss mit Labern oder es gibt Prügel."
Der wusste was, was wir nicht wussten, ansonsten wäre er nicht so frech. Ich meine, wir hatten eine Frida und waren gewillt, sie einzusetzen, von der Geheimwaffe Erdan mal ganz zu schweigen.
Was er wusste, zeigte sich jetzt. Seine Körpergröße begann sich zu verändern und er wuchs auf stattlich zweieinhalb Meter an. Drei weitere, die bisher unsichtbar um uns herum gestanden hatten, taten es ihm gleich. Das Kurzschwert war auch nicht mehr kurz, sondern mitgewachsen und hatte die stattliche Länge eines Zweihänders erreicht.
Nicht gut. Jeder von uns hatte einen Gegner und Zauberer im Nahkampf konnte man nicht ernstnehmen. Also machte ich mich mit einem Nebelschritt vom Acker, um Abstand zu gewinnen. Das Dach des Mausoleums war erfreulicherweise relativ gerade und es gelang mir, mein Gleichgewicht zu halten. Ein prima Platz! Ich hatte freies Schussfeld und bewarf das Pack mit Säurekugeln. Das war hässlich, ich weiß, aber das hatten sie jetzt davon. Ich konzentrierte mich erst einmal auf den Gegner von Florence, denn die war ebenfalls eher auf Fernkampf spezialisiert.

(SP: Gespiegelter Zauber ist ja super! Ein Spruch, zwei Verletzte. Wie kommt man eigentlich an mehr Zauberpunkte, ohne seine Sprüche zu opfern?)

Was soll ich sagen? Es dauerte nicht lange und die vier lagen auf dem Boden herum und hauchten ihr nutzloses Leben aus. Als sie starben, nahmen sie wieder ihre Originalgröße an. Leider hatten wir einen Zuschauer. Ein weiterer Betrachter, der sich in den Bäumen versteckt hatte, huschte so schnell wie möglich davon. Da ich leider etwas ausgelaugt war, hatte ich keine arkane Energie mehr übrig, um ihn noch zu erwischen.
Wir versteckten die Leichen in den Büschen, machten uns notdürftig sauber und verbanden die Wunden von Frida und Erdan. Dann machten uns auf den Heimweg. Es wurde Nachmittag und wir hatten schließlich ein Restaurant zu führen. Geputzt war auch noch nicht, schließlich war das mein Job beziehungsweise der meiner Unsichtbaren Diener. Wir wurden gerade rechtzeitig fertig, bevor die ersten Gäste vor der Tür standen.
Langsam wurde es brenzlig für uns. Wir hatten mittlerweile den Xans recht oft auf die Füße getreten und ich rechnete fest mit einer Reaktion in den nächsten Tagen. Falls die nicht kam, dann konnte das nur an dem Schutz liegen, den die Fraktionen boten. Ich meine, wir waren nicht unauffällig und bei uns gingen komische Leute ein und aus, die mit Sicherheit auch den Xans und Zents bekannt waren.
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Re: Tales from the Table (D&D 5e) Dragon Heist

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1492 Tarsakh 23

Am Morgen machte ich mich auf den Weg zu Doran Eisenhammer, meinem alten Lehrmeister. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich bestimmt seit einem halben Jahr nicht mehr bei ihm gewesen war.
Trotzdem begrüßte er mich freundlich, hörte sich meine Geschichten an und erzählte mir, was er von mir gehört hatte und das ich jetzt eine große Nummer wäre.
"Fast wie dein Großvater.", schmunzelt er. Klar, den kannte er ja auch schon, seit der ein kleiner Junge gewesen war. Wie war das eigentlich, wenn man so alt wurde? Du siehst die ganze Zeit Leute groß werden und dann sterben. Du bleibst immer übrig. Ich verstand, warum so wenige Zwerge in einer Menschenstadt waren. Die meisten gingen auch wieder weg, so nach zwanzig oder dreißig Jahren. Doran war geblieben. Er war so etwas wie ein fester Anker im Twiligh-Familienleben. Jeder von uns lernte bei Doran. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mal nicht mehr da wäre. Ich hatte ihn mal nach meiner Mutter gefragt, aber da wurde er sehr einsilbig. "Beth hat mir verboten, mit dir darüber zu reden.", war alles, was er sagte. Oma muss sehr wütend auf ihre Tochter sein.
Dann klemmte er sich einen Vergrößerungsstein ins Auge und besah sich den Schlüssel.
"Sieh an, sieh an. Da ist ja die Marke. So winzig, dass man sie kaum bemerkt. 'EU'. Das müsste für Elaspra Ulmarr stehen, wenn ich mich nicht sehr täusche."
"Sind das die zwei Kratzer da?"
"Hast du alles vergessen, was ich dir beigebracht habe? Das ist natürlich 'Dethek'."
Ich kam mir gerade ziemlich blöd vor.
"Weißt du, wo er wohnt?"
"Es ist eine Sie. Im Händlerviertel, wenn ich mich recht erinnere. Sollte zu finden sein, so viele Zwergenschmiede gibt es nicht in Waterdeep und so gut wie keine Frauen."
"Na, dann mache ich mich mal auf den Weg."
"Das wird dir nichts nützen. Elaspra wird dir nichts erzählen. Ich verrate meine Kunden schließlich auch nicht."
"Irgendeine Idee, womit man sie rumkriegen kann?"
"Angeblich hat sie Sympathien für die Harfner, habe ich mal gehört. Aber genau weiß ich das nicht."
Ich bedankte mich herzlich und nahm mir fest vor, mal wieder öfter vorbei zu schauen. Doran war nicht mehr der Jüngste, das merkte man an seinen Bewegungen. Er wurde aber sehr unwirsch, wenn man ihn darauf ansprach. Das war schon zu meiner Lehre so gewesen.
Also ging ich zurück und sammelte Erdan ein. Wenn's nicht die Harfner waren, dann war's halt Pech.

Wir fuhren ins Händlerviertel. Das war riesengroß und voller Läden. Hier eine einzelne Schmiede zu finden, war schwierig. Dann tat ich etwas, was ich vor einem Monat niemals getan hätte: Ich fragte die Wache. Wachentypisch wollten sie einen Grund. Da könnte ja schließlich jeder kommen. Vielleicht wollte ich den Laden ausrauben? Ich glaube, für die Wache ist jeder schuldig. Leider hatten sie keine Beweise, um dich direkt festzunehmen.
"Was willst du denn von ihr?"
"Ich habe den Tipp von einem Freund bekommen, dass sie exzellente Schlößer herstellt. Gerade jetzt bräuchte ich eins für meine neue Haustür. Leider ist mein Freund gerade auf einer Geschäftsreise, daher weiß ich nicht genau, wo ich hin muss."
"Hm, mag sein. Also gut, das ist ganz einfach. Hier die Straße entlang, die zweite links und die dritte rechts. Sie hat ein Schloss über dem Laden."
"War zu erwarten.", sagt ich. "Vielen Dank, die Herren."
Die Angaben stimmten und wir standen vor dem Laden. Es bimmelte ein Glöckchen, als wir eintraten. Nach kurzer Zeit tauchte eine Zwergin auf und fragte nach unseren Wünschen. Sie sah noch recht jung aus, also vielleicht so um die 150. Ich fummelte den Schlüssel aus der Tasche und legte ihn auf den Tresen.
"Ist das ist ein Schlüssel, den du hergestellt hast?"
Sie betrachtete misstrauisch den Schlüssel, nahm ihn in die Hand und untersuchte ihn.
"Könnte sein. Warum fragt ihr?"
"Wir würden ihn gerne zurückgeben. Der Besitzer hat ihn verloren, als er ein Grabmal in der Stadt der Toten ausgeraubt hat."
Wenn sie so war wie Doran, kam man mit Subtilität nicht weit. Ehrlichkeit funktionierte bei Zwergen besser. Sie verstanden auch keine Ironie.
"War das dein Grabmal? Ansonsten verrate ich meine Klienten nicht."
"Das verstehe und schätze ich.", sagte ich. "Leider ist es wichtig. Der Besitzer dieses Schlüssels hat jemanden getötet, um etwas zu stehlen, was uns gehört."
Dass die Tote nur eine Ratte war, war ja keine Lüge, oder?
Sie wirkte schockiert. "Ein Mord? Das müsst ihr der Wache melden!"
Erdan legte seine Anstecknadel auf den Tresen. "Wir ermitteln für die Harfner. Das ist noch kein Fall für die Wache. Wir würden gerne erst alles wissen, bevor wir den Schuldigen den Magistern übergeben."
Sie besah sich die Nadel. "Gut, in Ordnung. Ich hatte vor geraumer Zeit jemanden, der ein neues Schloss brauchte. Er wohnt in einer Abbruchgegend, im alten Teil von Waterdeep, in einer Windmühle. Die machen komische Sachen da, ich meine, warum stehen Schaufeln im Wohnzimmer?"
Sie sah uns an.
"Das sind, wie gesagt, Grabräuber, daher. Die Wache vermutet, dass ein Nekromant sein Unwesen treibt. Das ist ein wertvoller Hinweis."
Sie seufzte. "Also dann, er heißt Volkarr Kibbens, und lebt mit seinem Freund da, Urlaster Ghann. Die Windmühle steht im Südviertel."
"Das stimmt, da sind noch Teile aus der alten Besiedlung erhalten, vor dem Bau der Mauer. Vielen Dank für deine Auskünfte, das hat uns und damit den Harfnern sehr geholfen."
Ich steckte den Schlüssel wieder ein und wir verließen den Laden.

"Und jetzt? Holen wir die anderen?", fragte Erdan.
"Das ist nur ein knapper Kilometer von hier aus. Wir könnten ja mal nachsehen, oder?"
"Meinst du? Vielleicht brauchen wir Unterstützung."
"Bei zwei Grabräubern? Du rottest doch ein halbes Stadtviertel aus, wenn du in Wut bist. Außerdem können wir ja erstmal reden."
Die Mühle war leicht zu finden. Der Eingang war offen und Abfälle lagen drum herum.
"Warum schmeißen die Leute ihr Zeug immer vor die Haustüre? Das lockt doch nur Ungeziefer an."
"In schlechten Zeiten essen die Leute das Ungeziefer.", sagte ich.
"Was?"
"Wenn du kein Geld für Essen hast, dann isst du auch so was."
Wir traten durch die Türe. Links von uns war eine Wendeltreppe, die nach oben führte. Vor uns hörten wir Stimmen.
"Komm, wir fragen mal nach unseren Vögeln.", meinte ich.
Wir gingen den Stimmen nach und fanden in einem Raum eine Familie. Ärmlicher ging's nicht. Sie hatten alte Möbel organisiert und hausten hier. Es war leidlich komfortabel und sie hatten den Versuch unternommen, ein normales Leben zu führen. Sie sahen uns furchterfüllt entgegen.
"Guten Tag. Wir suchen zwei Männer, Volkarr und Urlaster, die hier wohnen sollen. Es wäre nett, wenn ihr uns da behilflich sein könnt." Zwischen meinen Fingern glitzerte es silbern. Der Mann und die Frau sahen sich an.
"Warum nicht, wir schulden ihnen nichts. Die wohnen oben. Wenn ihr die Treppe raufgeht, rechts die Tür mit dem neuen Schloss."
"Vielen Dank, und damit sind wir auch schon wieder weg." Ich gab ihm 5 Scherben, was ein Lächeln auf das Gesicht des Mannes zauberte.
Wir stiegen in den ersten Stock empor.
"Warum so wenig? Die könnten doch mehr gebrauchen.", fragte Erdan.
Ich blieb stehen. "Ja, das stimmt. Aber sieh es mal so, die Scherben sind das, was sie vermutlich in einer Woche zusammenbetteln können. Damit fallen sie nicht auf. Wenn ich ihnen Drachen gebe, was passiert dann? Der erste Händler, bei dem sie damit auftauchen, ruft die Wache. Dann erklär mal der Wache, wo du das her hast. Das sieht dann wahrscheinlich so aus:
'Wo hast du das Gold her?'
'Herr, da war ein Mann, der hat mir das geschenkt.'
'Dir? Wozu?'
'Ich habe ihm eine Frage beantwortet, Herr.'
'Und dafür gibt er dir Drachen? Komm mal mit, mein Freund.'
Verstehst du?"
Erdan nickte nachdenklich. "Stadt scheint mir noch komplizierter als Land, glaube ich."
Ich lachte. "Das liegt nur daran, dass du hier nicht aufgewachsen bist. Dafür verlaufe ich mich sofort, wenn ich draußen in der Natur bin."

Oben angekommen, klopften wir. Niemand rührte sich.
"Na gut, dann auf die unfreundliche Tour."
Ich zog den Schlüssel aus der Tasche, steckte ihn ins Schloss und schloss auf. Es klickte und Erdan öffnete die Tür. In der Mitte des Raum standen zwei nicht sehr saubere Gestalten, die uns erst erstaunt und dann aggressiv entgegen sahen.
"Volkarr Kibbens und Urlaster Ghann? Wir hätten da ein paar Fragen zur Schändung eines Grabmals einer guten Freundin von uns.", sagte ich in strengem Tonfall.
Reden wollten sie jetzt nicht sondern griffen nach ihren Schaufeln und wollten uns schlagen. Das kam bei Erdan nicht gut an. Der zog seine Kurzschwerter und fiel über den Größeren her. Ich beruhigte den andern mit einer Prise Schlaf.
Blut spritzte, Schmerzensschreie waren zu hören und Volkarr warf die Schaufel weg.
"Nicht mehr schlagen, wir ergeben uns!"
Erdan trat dem Schlafenden in die Eier. "Das war dafür, dass du angefangen hast."
Der wälzte sich, brutal geweckt, auf dem Boden und wimmerte vor sich hin.
Die Schatten umtanzten mich noch. Ängstlich beobachtete Volkarr das Schauspiel.
"So mein Freund, jetzt reden wir. Aber jetzt wird es nicht mehr freundlich abgehen. Was habt ihr in dem Grabmal gemacht, warum habt ihr die Ratte erschlagen und wo ist der Stein, den sie bei sich hatte?"
"Scheiße, ihr wisst ja schon alles. Gut, ich erzähl's euch. Wir arbeiten für einen Halbling, Losser Mirklav. Der baut aus Knochenteilen Skelette zusammen. Der ist total durchgeknallt, aber er zahlt gut. Er hat die Tür mit einem Zauber geöffnet und dahinter saß diese Ratte mit einen grünen Stein in der Hand. Die versuchte abzuhauen, aber er erwischte sie mit einem weiteren Zauber. Uri hier hat sie dann mit der Schaufel platt gehauen. Der Magier hat jetzt den Stein. Er denkt, der wäre magisch und will rausfinden, wozu der nutze ist."
"Weißt du, wofür er die Skelette braucht?"
"Keine Ahnung. Er nennt die liebevoll seine 'Armee der Finsternis", aber ich habe keine Ahnung, was er damit anstellen will."
"Wo finden wir diesen Losser?"
"Der wohnt im Handelsviertel in den Kanälen, unter einem Laden namens 'Dandymops'. Die verkaufen Perücken."
"Sonst noch was, was wir wissen müssten?"
"Er hat noch zwei Lehrlinge, Retchyn und Kreela. Retchyn gehört auch der Laden."
"Nun, die Herren, vielen Dank und wir verlassen euch jetzt. Seid schön artig und bleibt heute und morgen zu Hause, ansonsten besuchen wir euch wieder, aber diesmal endgültig. Verstanden?"
Schatten wogten, Schneeflocken rieselten zu Boden, Erdan grinste mordlüstern und die beiden nickten und machten sich fast in die Hose.

Wir verließen den Turm
"Und nun?" wollte Erdan wissen.
"Jetzt holen wir die Verstärkung. Mit einem Nekromanten lege ich mich nur an, wenn Frida vor mir steht."
"Gehen wir da heute noch hin?"
"Ich weiß nicht. Es ist schon nach Mittag und ich muss noch putzen. So ein Restaurant stört den Tagesablauf eines Investigators doch erheblich. Ich denke, morgen reicht."
Kein Plan reicht mit einiger Sicherheit über das erste Zusammentreffen mit den Spielern hinaus.
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